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Aktuelles

Aktuelle Urteile im Erbrecht 2025

Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament; Auslegung des Begriffs „gegen den Willen“

„Eine nach einer testamentarisch verfügten Pflichtteilsstrafklausel erforderliche Geltendmachung des Pflichtteils „gegen den Willen“ des überlebenden Ehegatten setzt ungeachtet der Reaktion des Erben (hier: Anerkenntnis des Anspruchs und Auszahlung des Pflichtteils) grundsätzlich keine nach außen dokumentierte Verweigerungshaltung des Erben voraus, sondern liegt regelmäßig bereits dann vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte – ohne zuvor ein Einvernehmen mit den Erben herzustellen – einseitig und in konfrontativer Weise zur Vorbereitung der Durchsetzung seiner Ansprüche an den Erben herantritt.“

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.07.2025, 8 W 56/24

Die Eltern hatten in ihrem Testament eine Pflichtteilsstrafklausel folgendermaßen aufgenommen: "Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird. Er ist dann sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall einschließlich aller angeordneten Vermächtnisse mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen." Ein Kind hatte mit anwaltlichem Schreiben „zur vorläufigen Durchsetzung ihres Pflichtteilsrechts“ Auskunft über den Umfang des Nachlasses gefordert. Laut Gericht hat es damit die Pflichtteilsstrafklausel in Gang gesetzt.

Vor Geltendmachung des Pflichtteils sollte deshalb immer geprüft werden, ob eine solche Klausel besteht!

Anfechtung bei Berliner Testament

Die Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) durch den überlebenden Partner berührt nicht automatisch die Verfügungen des vorverstorbenen Teils. Im entschiedenen Fall blieb die Erbeinsetzung des überlebenden Elternteils als Vorerbe trotz Wiederverheiratung bestehen; die Anfechtung betraf nur dessen eigene Verfügung. Nur wenn ein eigener Anfechtungsgrund in der Person des erstverstorbenen Ehegatten vorliegt, kann die letztwillige Verfügung aufgehoben werden. Die Wiederverheiratungsklausel führt dabei nicht per se dazu, dass der überlebende Ehegatte leer ausgeht – entscheidend bleibt der wirkliche oder hypothetische Wille beider Beteiligten zur Zeit der Testamentserrichtung.

KG, BESCHLUSS VOM 25. MÄRZ 2025, 19 W 19/25 (anwaltsblatt.berlin)

Feststellungslast für die Existenz und den Inhalt eines Testaments

Die Feststellungslast für die Existenz und den Inhalt eines Testaments trägt die Person, die sich auf das Testament beruft; Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist zwar nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig; ist dieses nicht mehr auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht mehr auffindbar ist, und Form und Inhalt können mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden. Aber Zweifel gehen zu ihren Lasten und an den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2025, 3 W 53/24, BeckRS 2025, 8683

Pflichtteil: Drei-Jahresfrist zur Geltendmachung – auch bei ungeklärter Vaterschaft

  1. Für die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auch dann die Regelung in § 2317 Abs. 1 BGB maßgeblich, wenn der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB an einer erfolgversprechenden Geltendmachung des Anspruchs gehindert ist.
  2. Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB erfordert beim Pflichtteilsanspruch des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater auch die Kenntnis von der wirksamen Anerkennung bzw. der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB beginnt die Verjährungsfrist eines entstandenen Anspruchs aber auch dann, wenn die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt.“

BGH; Urteil vom 12.03.2025, IV ZR 88/24

Die regelmäßige Frist beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit dem Jahresende, in dem der Anspruch entstanden ist und das Kind Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (Tod des Erblassers, Enterbung etc.) sowie der Person des Erben hat – eine (später) festgestellte Vaterschaft ändert an der Frist grundsätzlich nichts.

Wer seinen Pflichtteil und eine Abstammung vermutet, muss also frühzeitig Auskunftsansprüche geltend machen und nötigenfalls Vaterschaftsfeststellung betreiben.

Weite Auslegung des Begriffs „gemeinsames Todesunglück“

Das Kammergericht interpretiert die Formulierung „nur im Fall eines gemeinsamen Todesunglücks“ in gemeinschaftlichen Testamenten großzügig. Gemeint kann damit nicht nur ein Unfall, sondern jeder Fall sein, in dem beide Ehegatten in kurzem Abstand – hier 13 Tage – versterben, auch ohne Kausalzusammenhang. Maßgeblich ist, was die Eheleute vernünftigerweise unter diesen Umständen gewollt hätten: Im Zweifel bleibt die im Testament benannte Erbfolge bestehen, statt sich streng an den Wortlaut („gemeinsames Todesunglück“) zu halten.

KG, BESCHLUSS VOM 8. MÄRZ 2025 – 19 W 2/25 (anwaltsblatt.berlin)

Testierfreiheit geht berufsrechtlichem Verbot vor

„Ein Vermächtnis, das ein Patient dem ihn behandelnden Arzt zuwendet, ist nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (entspricht § 32 Abs. 1 Satz 1 der Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte) in Verbindung mit den §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB unwirksam.“

BGH, Urteil vom 02.07.2025, IV ZR 93/24

Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des behandelnden Arztes nicht allein deshalb unwirksam ist, weil sie gegen ein berufsrechtliches Zuwendungsverbot verstößt. Berufsordnungen der Kammern können die verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit (Art. 14 GG) nicht ohne gesetzliche Grundlage beschneiden. Für die Wirksamkeit kommt es – wie immer – auf die freie Willensbildung des Erblassers und den fehlenden Einfluss an. Die sauber dokumentierte Unabhängigkeit des Entschlusses (ggf. mit notarieller Beratung) bleibt entscheidend.